Wiederaufbau Atitlan

Am 5. Oktober 2005 verwüstete Hurrikan Stan ganze Landstriche in Guatemala. Am See Atitlan wurden verheerende Schlammlawinen an den Hängen der Vulkane ausgelöst. In Tzanchaj, einem Stadtteil der Gemeinde Santiago Atitlan, verloren ungefähr sechzig Familien ihre Häuser. Nachdem ich zuvor als Sprachlehrerin in der Gemeinde gearbeitet hatte, möchte ich nun versuchen, Hilfe und Wiederaufbau mitzuorganisieren. Dies stelle ich in diesem Tagebuch dar.

15.12.05

Mein Tag im Projekt am 15.12.


Ich kaufte kleine Plastiktütchen, ging in ein Geschäft, benutzte dort die Waage, um die Perlen in kleine Tütchen abzufüllen. Das dauerte ziemlich lange, doch zum Glück half Kristin, eine andere Deutsche, mit. So kam ich irgendwie gar nicht mehr zum Mittagessen, sammelte die Hacken ein, packte sie in meinen Wanderrucksack und machte mich auf den Weg nach Tzanchaj. Es war eine furchtbare Pickupfahrt. Das Auto war schon ziemlich voll. Da ich es eilig hatte und schon zu spät zu meiner Verabredung mit einer der Frauen kommen würde, stellte ich mich hinten auf die dichtgedrängt gefüllte Stossstange. Mit über zwanzig Kilo Material im Rucksack wird man in jeder kleinsten Kurve völlig zur Seite weggezogen.

Da Straßenbau und Asphaltarbeiten im Gang sind, muss man in Panabaj etwas oberhalb der Straße mitten durch die Schneise der Schlammlawine fahren. Das sieht immer noch aus wie eine Steinwüste. Irgendwo war der Weg sehr eng, und es kam uns ein Müllauto aus Koblenz mit der deutschen Aufschrift "Hilfe für Atitlan" entgegen. Aufgrund herabhängender Äste eines Baumes konnte es nicht passieren. So kletterte einer der Männer mit seiner Machete auf den Baum und hackte mehrere laternenpfahldicke Äste ab. (Ich hätte zu gerne ein Foto gemacht). Immerhin nutzte ich diese notgedrungene Pause dazu, den Rucksack in das Innere der Ladefläche zu bugsieren. Irgendwann erreichten wir endlich die Schule im Zentrum von Tzanchaj.

Ich ging zunächst mit Dolores in einen der Klassenräume. Wir sprachen darüber, was es für Möglichkeiten gäbe, ein Portemonnaie herzustellen. Mal sehen, sicherlich können wir etwas Nettes entwerfen, das man dann in Deutschland gebrauchen und verkaufen kann. Ausserdem will ich Faden für die Webarbeiten kaufen, da es hier wohl nur schlechtere Qualität gibt, der nicht farbecht ist und bei der Wäsche ausläuft.

Nach dieser Besprechung waren schon einige Leute da, um Werkzeug entgegen zu nehmen. Die Frauen waren wegen der Perlen schon eine halbe Stunde zu früh gekommen. So etwas ist mir hier wirklich noch nie passiert. Ich gab Werkzeug aus und nahm die beiden Zahlungen entgegen. Es haben mich jetzt wirklich alle gemäß den Vereinbarungen bzw. teilweise sogar weit darüber hinaus bezahlt!!

Den Frauen erklärte ich dann, dass ich ein paar Perlen hätte. Ich wünschte nun, dass sie mir daraus möglichst viele verschiedene Artikel anfertigten. Es war deutlich zu merken, dass ihnen diese Anweisung zunächst gar nicht so recht war. Lieber hätten sie gehört, dass ich von einem bestimmten Design 100 StüAck haben wollte. Ich bin nun sehr gespannt, was geschieht. Insgesamt habe ich fünf halbe Kilo verschiedener Farben gekauft und habe jeder Frau drei kleine Tütchen gegeben. Ob sie wohl untereinander austauschen werden? Ein Experiment....
Ich habe ihnen erzählt, dass ich sie am Dienstag dann ein bisschen bezahlen werde, damit ihnen dieser Auftrag keine Erwerbszeit raubt. Ich bin sehr gespannt und freue mich richtig darauf.

Anschließend kam noch einmal der Mann, dem ich gerne einen Kredit für seinen Hausbau geben möchte. Es stellte sich heraus, dass er irgendwie vermeiden wollte, einen Maurer aus der Gruppe zu nehmen. Doch als ich die Wichtigkeit erklärte, schien das dann auch kein Problem zu sein. Ich bin insgesamt mehr als zufrieden und freue mich nun trotzdem auf das Wochenende, da es in dieser Woche irgendwie von Tag zu Tag mehr wurde. Heute Nacht wachte ich auf und hatte ganz wirr über Werkzeuge und Leute geträumt.

Also meine aktuellen Vorhaben: Nächste Woche werde ich mit drei weiteren Werkzeugen, nämlich Schippe, Spaten und Säge anfangen (vorzugsweise mit den Leuten, die ganz regelmäßig gezahlt haben, also so gut wie allen!!)).
Außerdem werde ich mit Küchengegenständen anfangen, eventuell in Einzelfällen eben auch Bett oder Kleidung beschaffen. Mal sehen...
Für Maurerwerkzeug warte ich immer noch darauf, dass die Maurer mir eine Liste mit benötigten Dingen geben.

Vielleicht kann ich schon am Wochenende in der Hauptstadt Faden für die Stoffe kaufen, damit sie nächste Woche mit Weben beginnen können. Ich habe mindestens zwei Weber, die momentan arbeitslos sind. Salvador meinte, dass ihm die Arbeit Spass mache, wenn er wüsste, dass es dafür einen angemessenen Lohn gäbe (natürlich nach guatemaltekischen Verhältnissen). Ansonsten sei die Arbeit einfach nur anstrengend und lästig.